Repost: Redebeitrag des Feministischen Kampftagsbündnisses – 25.11.2023

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Redebeitrag 25.11.

Am 25.11. finden jedes Jahr weltweit Veranstaltungen anlässlich des Internationalen Tags zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen statt. In Erfurt ruft zu diesem Anlass jährlich das Frauenzentrum Brennessel zu einer Kundgebung vor dem Rathaus auf, um den Opfern geschlechtsspezifischer Gewalt zu gedenken. Die Stadtverwaltung beiteiligte sich in diesem Jahr wieder am Aufruf zur Kundgebung und beteiligte sich auch mit Redebeiträgen der Bürgermeisterin und des Sicherheitsdezernenten.
Auch das Feministische Kampftagsbündnis Erfurt beteiligte sich mit einem eigenen Redebeitrag. In diesem wird treffenderweise der Schluss mit dem Scheißtheater gefordert:

FKT Redebeitrag – 25.11.2023

„Wir, das Feministische Kampftagsbündnis Erfurt, kritisieren die Intransparenz rund um die Vorwürfe sexualisierter Gewalt und Machtmissbrauch am Erfurter Theater und fordern: Schluss mit dem Scheißtheater!

Zum Hintergrund: Bereits im Jahr 2019 und auch in letzter Zeit soll es Übergriffe auf sechs Theater-Mitarbeiterinnen gegeben haben. Öffentlich wurden die Vorwürfe durch Mary-Ellen Witzmann, Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Erfurt. Die Stadt Erfurt reagierte auf die Veröffentlichung der Vorwürfe zunächst mit der Freistellung, inzwischen sogar mit der Kündigung der Gleichstellungsbeauftragten.

Man sollte denken, dass Arbeitnehmende, die sich an ihre
Gleichstellungsbeauftragte wenden, weil sie sexualisierte Gewalt und Machtmissbrauch am Arbeitsplatz erfahren, ernst genommen werden und dass entsprechenden Vorwürfen aktiv nachgegangen wird. Wenn das nicht geschieht, gehört es skandalisiert. Und deshalb ist uns eine Gleichstellungsbeauftragte als Whistle-Blowerin tausend mal lieber als das ohrenbetäubende Schweigen zu den Vorwürfen von Männern an der Spitze der Erfurter Stadtverwaltung und Stadtpolitik. Danke Mary-Ellen Witzmann, dass Sie die Vorwürfe öffentlich gemacht haben! Danke, dass Sie eigenständig aktiv geworden und den Vorfällen nachgegangen sind – genau diesen Einsatz wünschen wir uns von einer Gleichstellungsbeauftragten.

Die lokale Presse fiel vor allem dadurch negativ auf, dass sie im Großen und Ganzen die Pressemitteilungen der Stadt Erfurt mit O-Tönen des Kulturdezernenten Tobias Knoblich und des Oberbürgermeisters Bausewein zitierte. Damit stand die Aufregung rund um die Gleichstellungsbeauftragte Mary-Ellen Witzmann im Vordergrund und die Aufarbeitung der Vorfälle am Theater rückte weit in den Hintergrund des Geschehens. Völlig kritiklos wird hier die Perspektive derjenigen übernommen, die sich mehr über die Veröffentlichung der Vorwürfe als über die Vorwürfe selbst aufregen und die Gleichstellungsbeauftragte Mary-Ellen Witzmann wird zur Nestbeschmutzerin stilisiert.

Inzwischen hat die Stadt Erfurt eine Kommission eingerichtet, welche die Vorfälle aufklären soll. Wir haben Fragen. Wer ist in dieser Kommission? Wieviele Frauen sind in dieser Kommission? Wieviele Expertinnen für Machtmissbrauch und sexuelle
Belästigung am Arbeitsplatz sind in dieser Kommission?

Wir befürchten, dass die Kommission vor allem Aktivität und Entschlossenheit nach außen ausstrahlen soll, während die Öffentlichkeit über die konkrete Bearbeitung im Unklaren gelassen wird.

Die Anwaltskanzlei, FS-PP Berlin, welche die Stadt Erfurt in dieser Sache beauftragt hat, lässt uns nur noch misstrauischer werden. Diese vertritt laut eigener Website Individualpersonen und Unternehmen, die strafrechtlich auffällig geworden sind und übernimmt die Verteidigung – bei Steuerhinterziehung, Verletzungen von Arbeitsrecht, Verletzungen von Umweltrecht, und Vorwürfen zur Geldwäsche. Also Expertise darin, Unternehmen zu verteidigen, die Dreck am Stecken haben? Ja, das glauben wir gerne! Aber Expertise im transparenten Umgang mit Vorfällen sexualisierter Gewalt und Machtmissbrauch am Arbeitsplatz im Sinne der Betroffenen? Nein, dazu findet sich nichts auf der Website! Auch hier liegt der Verdacht nahe, dass die Anwaltskanzlei eher den Image-Schaden des Erfurter Theaters und der Erfurter Stadtverwaltung beheben soll, als eine ehrliche und aktive Aufklärung, welche die Mitarbeiterinnen des Erfurter Theaters mit ihren Schilderungen ernst nimmt.

Wir schließen uns der Kritik an der Kündigung der Gleichstellungsbeauftragten und an der Forderung einiger Erfurter Stadträtinnen der Fraktionen DIE LINKE, Bündnis 90 DIE GRÜNEN, CDU, und Mehrwertstadt an, dass eine Anwaltskanzlei, die Erfahrungen in der Vertretung von Opfern sexueller Gewalt bzw. Opfern sexueller Belästigung am Arbeitsplatz hat, bei der Aufklärung hinzugezogen wird.
Noch immer gilt viel zu oft: Da, wo sich Macht konzentriert findet, findet sich eine konzentrierte Ansammlung von Männern. Und wo Macht ist, ist Machtmissbrauch nicht weit entfernt. Wir haben null Vertrauen darin, dass ohne öffentlichen Druck und eine breite Solidarisierung mit den Betroffenen die Vorfälle wirklich aufgeklärt werden.

Wir solidarisieren uns

  • mit den Mitarbeiterinnen des Theater Erfurt, die den Mut hatten, sich an die Erfurter Gleichstellungsbeauftragte zu wenden;
  • mit Mary-Ellen Witzmann, die dafür gesorgt hat, dass die Vorwürfe öffentlich werden;
  • den Stadträtinnen, die die Kündigung der Gleichstellungsbeauftragten kritisieren und eine transparente Aufklärung der Vorfälle am Theater einfordern.

Wir selbst fordern: Schluss mit dem Scheißtheater!

  • Für eine lückenlose Aufklärung der Vorfälle am Erfurter Theater & entsprechende Konsequenzen im Theaterbetrieb!
  • Dabei gilt: Betroffene gehören mit an den Entscheidungstisch – keine Entscheidung über uns ohne uns!
  • Für uns ist klar: Männerbünde gehören zerschlagen – auch in städtischen Betrieben, in der Stadtverwaltung und in der Stadtpolitik!
  • Wir fordern Feministische Solidarität unter Arbeitnehmerinnen – sexuelle Gewalt und Machtmissbrauch am Arbeitsplatz geht uns alle an!

Lasst uns lieber ein selbstbewusstes, lautes, feministisches Theater rund um die Sache veranstalten, als diesem Scheißtheater weiter zuzusehen!“

– Statement des Feministischen Kampftagsbündnisses Erfurt

Zur Website des Feministischen Kampftagsbündnisses:
https://8mrz.arranca.de/